Neues aus der Amtsstube
Noch immer arbeitet das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hinter den Kulissen am Verbot unserer Branche. Da sich Bundesländer und Medien leider seinerzeit mit der lapidaren Aussage Berlins zufrieden gaben, das Thema sei wieder vom Tisch, nutzt Dobrindts Ministerium den entfallenen öffentlichen Druck, die Sache mit immer größerer Härte voranzutreiben. Nunmehr liegt eine vom BMVI wohl als final betrachtete Version vor. Es ist, wenn wir richtig gezählt haben, der dritte Entwurf in zwei Jahren.
Immerhin kann man dem Ministerium nicht vorwerfen, unsere Stellungnahmen nicht zu lesen. So hatten wir neben anderen Unsinnigkeiten darauf hingewiesen, dass die neuen Regelungen derart restriktiv sind, dass sie sogar das traditionelle Dresdner Drachenbootrennen ins dunkle Reich der Kriminalität verbannen. Ein normal denkender Mensch würde sich an dieser Stelle am Kopf kratzen und fragen, ob eine solche Regelung nicht allgemein etwas über das Ziel hinaus schießt. Nicht so das Ministerium. Dort kommt man, wie so oft, zu durch Schlichtheit verblüffenden Lösungen:
Wettkämpfe sind erlaubt!
Doch so einfach? Nicht ganz, mittlerweile sollten wir das Ministerium besser kennen! Es finden ja schließlich nicht nur Wettkämpfe statt. Sportvereine vermieten ihre Boote ja auch außerhalb von Wettkämpfen an ungeübte Landratten. Dass dies nicht funktionieren kann, ohne wenigstens einen erfahrenen Steuermann mit ins Boot zu setzen, versteht sich von selbst. Und das wird nun erlaubt? Ganz klares JEIN!
Soweit ein Drachenboot außerhalb von Wettkämpfen oder deren Vorbereitung nicht mehr als 12 Personen befördert, ist das ok. Weil es keinen Motor hat. Zum Glück gibt es tatsächlich solche „Smallboats“, auch wenn sie nur einen verschwindend geringen Prozentsatz ausmachen. Und das Gros der Drachenboote (12,50m lang, 10 Sitzreihen, 20 Paddler + Steuermann und Trommler)? Die dürfen natürlich auch außerhalb von Wettkämpfen vermietet werden. Allerdings nur, wenn sie eine CE-Zertifizierung haben. Echt jetzt?
Echt jetzt. Na, damit werden geschätzt wie viele der bundesweit mehreren hundert Boote in den Genuss dieser Vergünstigung kommen? Richtig: Keines.
Wenigstens hat unsere Kritik an den Entwürfen so wenigstens dem Dresdner Drachenbootrennen den Hals gerettet. Zumindest, falls das Ministerium seinen Entwurf tatsächlich bis zum Sommer durchpeitscht. Denn die Ausnahme für Wettkämpfe ist derzeit nicht mehr als eine Vision. Nach derzeitiger Rechtslage ist JEDER Transport von Personen gegen Entgelt, auch wenn man es Startgeld nennt, hochgradig illegal und nach den Buchstaben des Gesetzes seit nunmehr drei Jahren eindeutig verboten. Kommerziell oder nicht.
Behörden schauen weg
Eine gültige Ausnahmeregel gibt es derzeit nur für uns, weil wir bereits zum (willkürlich festgelegten) Stichtag 31.12.2012 Vermietungs-Zertifikate hatten. Die lassen sich nicht einfach wegdiskutieren. Allen anderen Sportbootbesitzern, seien es Privatpersonen oder Sportvereine, ist es bei Strafe untersagt, jemanden im Boot mitzunehmen und sich dafür mehr als die Treibstoffkosten erstatten zu lassen. An diesem Umstand soll auch nichts geändert werden. Dies gilt ganz ausdrücklich auch für nichtkommerzielle Fahrten.
Zitat aus der Begründung des Ministeriums:
"...Nummer 3 bestimmt mit der Änderung des § 4a Absatz 1, dass Fahrzeuge, die Fahrgäste befördern, bestimmten technischen Anforderungen genügen müssen. Es wird bewusst nicht auf die Gewerbsmäßigkeit der Beförderung abgestellt, weil diese eine auf Gewinnerzielung und auf Dauer angelegte Tätigkeit bedingt, so dass gelegentliche Fahrten nicht erfasst würden ..."
Aber zum Glück schauen die Behörden nur bei uns kommerziellen Anbietern genau hin. Und bei allen anderen, egal ob motorisiert oder nicht, mit Ansage einfach weg. Aber warum? Entweder weil sie es auch noch nicht verstanden haben, oder vielleicht gerade weil sie sehr genau verstanden haben, dass die Restriktionen nicht gegen Sicherheitsdefizite wirken sollen, sondern gegen ein bestimmtes Geschäftsmodell. Und sicher soll, solange die Verordnung noch nicht „durch“ ist, auch kein weiterer öffentlicher Druck aufgebaut werden. Oder wären Sie gern als der Polizist in der Zeitung, der zum Elbhangfest das Drachenbootrennen verbietet? Das BMVI hätte schlagartig genau die Medienpräsenz, die es um jeden Preis bei seinem Vorhaben vermeiden muss. Daher wird verschleiert, dass sich die Spanten biegen.
Sämtliche am Markt befindliche Sportboote unsicher?
Nach dreieinhalbjähriger Diskussion über die Notwendigkeit eines Verbots vom gewerblichen Einsatz von Sportfahrzeugen gibt es trotz beharrlicher Nachfragen bis heute auch nicht den Hauch einer Erklärung, welche Sicherheitsrisiken denn nun angeblich konkret bestehen sollen. Das Ministerium begründet seinen Vorstoß also mit einem Sicherheitsproblem, dass es offenbar selbst nicht kennt oder auch nur grob umschreiben könnte. Die Kernfrage ist: Wie kann ein Boot dadurch unsicherer werden, dass ein Mitfahrender etwas für die Fahrt bezahlt?
Man kann nicht einfach ein Sportboot bauen und in Verkehr bringen. Denn dafür, wie könnte es anders sein, gibt es Normen. Die hat das Ministerium selbst erlassen, nämlich 2008 im Rahmen des Produktsicherheitsgesetzes. Streng nach europäischem Recht. Und zwar sowohl für privat als auch gewerblich genutzte Sportfahrzeuge. Ein Sportboot, was hierzulande zugelassen wird, hat also bereits per Gesetz sein Sicherheitsniveau durch aufwändige Zertifizierungsverfahren nachgewiesen.
Wie können diese Fahrzeuge dann überhaupt Sicherheitsdefizite aufweisen? Verschleiert der Gesetzgeber gar, dass seine Bauvorschriften für alle Fahrzeuge ungenügend sind? Dieses Sicherheitsniveau soll für alle Anwendungsfälle genügen, außer für einen ganz speziellen? Wie kann ein 500-PS-Mietboot, was ein Familienvater mit druckfrischem Bootsführerschein zur Schuleinführung seines Sohnes mietet, um damit die ganze Schulklasse durch die Gegend zu fahren, nur dadurch sicher werden, dass er darauf verzichtet, einen Berufsfahrer ans Steuer zu lassen? Entweder ist ein Sportfahrzeug nach geltendem Recht gebaut und daher sicher, oder eben nicht.
Es wird jedenfalls faktisch keinesfalls unsicherer, wenn man es einfach per Ansage vom Boot zum Schiff klariert, um dann festzustellen, dass es nicht den Bauvorschriften von Binnenschiffen entspricht. Was, wie sich jeder denken kann, bei einem Seriensportfahrzeug auch gar nicht möglich ist. Versuchen sie mal, einen Kleinwagen nach Reisebus-Richtlinien zu bauen…
Damit das auch unmöglich bleibt, hat das Ministerium für künftige Investoren auch gleich noch ein Bündel technischer Unsinnigkeiten geschnürt, damit nur ja keinem gelingt, am Ende doch so ein Fahrzeug aufs Wasser zu bringen.
Beispiele gefällig?
Ein kleines Boot zur Beförderung von, sagen wir mal 6 Personen, also einer Nutzlast von vielleicht 700kg, müsste
- eine etwa 200kg schwere Ankerausrüstung an Bord
- den unglaublichen Hulk oder Chuck Norris als Bootsführer haben, falls dieses Ankergeschirr tatsächlich einmal gelichtet werden müsste
- falls die beiden schon woanders arbeiten, eine zentnerschwere Winde für diese Ankerausrüstung
- einen vom Fahrgastbereich abgetrennten Steuerstand
- von einer Zweimann-Besatzung geführt werden
- Lenzpumpen einer Dimension haben, die es weltweit in dieser Leistungsstufe für 12V-Anlagen nicht gibt
- sich nicht weiter als 7 Grad zur Seite neigen, wenn es halb besetzt ist und alle Personen so weit wie möglich nur auf einer Seite STEHEN
- eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25km/h
- eine Notstromversorgung auch für die oben genannten leistungshungrigen Pumpen für 30 Minuten, also einen Generator oder eine 200kg schwere Batteriebank
haben. Das alles auf einem ElbeTaxi? Eher blöd.
Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Darüber hinaus müsste auch der Bootsführer ein Kapitänspatent und eine Zusatzprüfung für die zu befahrende Strecke abgelegt haben. Für beides muss man übrigens in ein anderes Bundesland reisen, weil solche Prüfungen hier gar nicht abgenommen werden. Von den Zulassungsvoraussetzungen zu solch einer Prüfung wollen wir hier mal gar nicht reden.
Stört ja keinen
Das einzig Positive an dem neuen Vorstoß des BMVI ist eigentlich, dass er weiterhin völlig unschlüssig bleibt und nach wie vor nicht einmal den Versuch einer nachvollziehbaren Rechtfertigung enthält. So steht einer Fortsetzung der bisher ausnahmslos erfolgreichen Klagen gegen den Bund nichts im Weg. Gerichte werden wohl auch zukünftig eher der einleuchtenden Logik folgen, dass ein Serienmietfahrzeug mit einem erfahrenen Fahrer wohl kaum unsicherer sein kann, als das gleiche Fahrzeug mit einem ungeübten Fahrer. Nur kostet das natürlich Zeit, Nerven und viel Geld. Letzteres natürlich nur die Wirtschaft und den Steuerzahler. Die Kosten unserer Branche für Gutachten und Rechtsstreitigkeiten (mittlerweile im mittleren fünfstelligen Bereich) müssen wir selbst aufbringen. Der Bund bestreitet die Kosten seines „Scheiterns mit Ansage“ in Prozessen aus Steuermitteln. Der für diese Vendetta verantwortliche hochbezahlte Spitzenbeamte in Bonn, Reinhard Klingen, muss selbst natürlich keinen Cent für das von ihm verursachte Chaos aufbringen.
Update vom 10.02.2016:
Unsere offizielle Stellungnahme zum neuen Entwurf kann man hier herunterladen:
(Nur für Fachleute zu empfehlen, es sind 15 Seiten!)
Stellungnahme_Stand_010316